23.05.2013

Welche beruflichen Rahmenbedingungen
Zwei aktuelle Beiträge untersuchen die Faktoren Verdienst, Arbeitszeit und Vertragslaufzeit, vergleichen diese zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und beschäftigen sich mit dem Zufriedenheitsgrad von Wissenschaftlern

Im aktuellen Bundesbericht über den wissenschaftlichen Nachwuchs (BuWiN) werden Mini-Gehälter, Arbeitsplatz-Unsicherheit infolge kurzer Vertragslaufzeiten und fehlende Tenure Tracks für Postdocs, sowie wenig gezielte Personalentwicklung als Hauptursachen genannt, dass der Wissenschaft „gute Köpfe verloren" gehen.

Daneben veröffentlichte „Forschung und Lehre" im Februar einen Beitrag, der sich mit der Karriere- und Lebenszufriedenheit von promovierten Akademikern auseinander setzt. Die zugrunde liegende Heidelberger Studie belegt, dass außerhalb der akademischen Forschung mehr Geld bei gleichzeitig geringerer Arbeitszeit verdient wird, die Karriereperspektiven außerhalb der Academia besser eingeschätzt werden und schließlich auch die allgemeine Lebenszufriedenheit außerhalb der akademischen Forschung höher ist. (Sieverding, Evers, Nach der Promotion, Forschung und Lehre 2/15 S. 122f).

Da wir uns professionell mit Lebens- und Arbeitsperspektiven von Wissenschaftlern beschäftigen, erlauben wir uns dazu zwei Hypothesen aufzustellen, wie sich aus unserer Sicht die Zufriedenheit von Nachwuchswissenschaftlern verändern ließe, ohne dass an den gesetzlichen Rahmenbedingungen gedreht wird.

Unsere Hypothesen:1. Über Karriere- und Berufszufriedenheit entscheidet das Vorhandensein von realen Wahlmöglichkeiten, und das nicht nur kurz nach Abschluss der Promotion sondern auch nach einer mehrjährigen Tätigkeit in der akademischen Forschung. Eine systematische Personalentwicklung fördert daher insbesondere all die wissenschaftsrelevanten Kompetenzen, die auch in anderen Organisationen benötigt werden. Dazu gehören insbesondere Arbeitsmethodik und Persönlichkeitsentwicklung. 2. Eine höhere Karriere- und Berufszufriedenheit unter Wissenschaftlern wird erreicht, wenn die eigenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten zum persönlichem Motivations- und Kompetenzprofil passen. Wissenschaftler brauchen daher mehr Informationen über ihr eigenes Profil und über Anforderungen an Motivation und Kompetenzen in verschiedenen Aufgabenbereichen von Unternehmen, öffentlichen Stellen und Wissenschaft.

In den Lebenswissenschaften erleben viele Nachwuchskräfte ihre beruflichen Wahlmöglichkeiten als eingeschränkt. Es gilt das bekannte Prinzip „up or out" oder wie Wissenschaftler es gerne formulieren „publish or perish". Insbesondere in der Postdoc-Phase wird der hohe Arbeitseinsatz für wissenschaftliche Ziele im Nachhinein eher als Hindernis, denn als Entwicklung für einen erfolgreichen Wechsel in ein Unternehmen empfunden. Und darin liegt der Hauptunterschied zu privaten Organisationen, die ähnliche hohe Fluktuationsraten haben. Insbesondere Unternehmensberatungen schaffen es, dass sich der hohe Arbeitseinsatz für ihre ehemaligen Mitarbeiter auszahlt.

Das bisherige System der Personalentwicklung in der Wissenschaft ist sehr stark geprägt von Wissensvermittlung und Förderung spezifischer Gruppen, um ihren Anteil in akademischen Spitzenpositionen zu erhöhen. Dabei könnten die Fähigkeiten von Nachwuchswissenschaftler sehr viel breiter entwickelt werden, um sie besser auf die Übernahme von Verantwortung in anderen Organisationen vorzubereiten. Hierfür bedarf es einer strukturierten Standortbestimmung in regelmäßigen Abständen für alle Nachwuchswissenschaftler und eines stetigen Abgleichs mit beruflichen Entwicklungswünschen. Ergibt sich daraus die Notwendigkeit, den bisherigen Weg entweder zu verlassen oder konsequenter als bisher umzusetzen, so sind individuelle Unterstützungen erforderlich, wie sie durch Mentoring, Coaching und Beratung sowie Trainings geleistet werden. Auf diese Weise wird verhindert, dass am Ende einer langen Phase als Postdoc eine große Enttäuschung anstelle einer attraktiven und gut vorbereiteten Perspektive steht.

Eine solche Personalentwicklung kann nur geleistet werden, wenn akademische Führungskräfte gemeinsam mit Mitarbeitern aus der Personalentwicklung daran arbeiten. Wissenschaftliche Führungskräfte sind gefordert, klare Rückmeldungen in Bezug auf akademische Leistungen an ihre Mitarbeiter zu geben. Ergänzung findet dieses Feedback durch die Arbeit interner und externer Experten bei der Vorbereitung alternativer Perspektiven. Gelingt dieses Zusammenwirken, ist der Arbeitsplatz Forschung attraktiv für gute Nachwuchswissenschaftlern, weil sie reale Wahlmöglichkeiten erkennen und verfolgen können.


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